Manfred Günther                  Sonettenkranz zum Vater Unser

 

Die sieben Bitten des Vaterunsers

 

Die 1. Bitte:            "Geheiligt werde dein Name"

Die 2. Bitte:            "Dein Reich komme"

Die 3. Bitte:            "Dein Wille geschehe"

Die 4. Bitte:            "Unser tägliches Brot gib uns heute"

Die 5. Bitte:            "Und vergib uns unsere Schuld"

Die 6. Bitte:            "Und führe uns nicht in Versuchung"

Die 7. Bitte:            "Erlöse uns von dem Bösen"

 

 

 

I "Geheiligt werde dein Name"

 

Herr, laß nicht ab, zu lieben und zu tragen,

wenn auch so vieler Ruf zu dir verklang.

Es gibt auch andre noch, doch mir ist bang:

Wie sind die Menschen rar, die nach dir fragen!

 

Du lockst zu dir; die Welt ist abgebogen;

es ist der Glanz der Dinge, der sie bannt.

Sie hat dein Ziel, dein Zeichen nicht erkannt,

die Macht, das Geld hat von dir weggezogen.

 

Doch ist die Umkehr möglich, Wege offen

und mancher Wink, der uns die Richtung weist.

Er zeigt zu dir, zu Segen, Sinn und Hoffen...

 

Er führt uns heim, nach Haus, zum "Vater" eben,

wie du, o Herr, für deine Kinder heißt.

Es ist dein Name, Gott, in dem wir leben!

 

 

 

II  "Geheiligt werde dein Name"

 

Es ist dein Name, Gott, in dem wir leben,

dein ganzes Wesen: Daß du Vater bist!

Wie nur ein Freund, der groß und gütig ist,

so tust du uns - auch wenn wir widerstreben!

 

Es tut dir weh, wo wir nach Eig'nem trachten,

die Hand verlassen, die uns nährt und schützt,

um das zu tun, was unserm Namen nützt

und so den deinen schmählich zu verachten.

 

Du läßt uns los und solche Kinder sein,

die ihrem Dünken nach nun Freiheit haben -

und bleibst doch nah - nicht einer ist allein!

 

Verbirgst dich zwar, doch dir verdanken wir

Gesundheit, Kraft und alle andern Gaben,

auch was wir selber sind, ist Teil von dir.

 

 

 

III "Dein Reich komme"

 

Auch was wir selber sind, ist Teil von dir,

es ist Geschenk der Gnade - nur verliehen

zu Gottes Dienst - auch wenn wir vor dir fliehen;

doch nur zu deiner Ehre sind wir hier!

 

Du lädst uns ein, mit deines Geistes Waffen,

in deinem Namen das versproch'ne Reich,

in dem du König bist und Menschen gleich,

schon jetzt und hier, in dieser Welt zu schaffen.

 

Ich zög're noch. Der Auftrag ist so groß -

und ich so schwach. Wirst du mein Wollen stärken,

und hilfst du mir? - Ich laß mich in dir los,

 

bis ich mich ganz in deiner Kraft verlier'!

Der große Gott in meinen Menschenwerken?

Ich bin so klein - und doch vertraust du mir!?

 

 

 

IV "Dein Reich komme"

 

Ich bin so klein - und doch vertraust du mir,

daß ich zum Zeichen und zur Hoffnung werde:

Sie steht noch aus, die gute neue Erde,

auf der einst Friede herrscht für Mensch und Tier.

 

Sie steht noch aus! - und wird und muß noch kommen

(und mancher wünscht und sehnt sie sich herbei!).

Da werden Kranke heil, Gefang'ne frei

und Tod und Schmerz und Ängste fortgenommen.

 

So will ich, Gott, zu solchem Hinweis dienen:

Daß schon begann, was einst vollendet wird;

der Zukunft Anfang ist am Kreuz erschienen!

 

Du wirst sie selbst ins Licht der Zeit erheben.

Es ist an mir, bis dahin unbeirrt,

von deinem Reich ein Zeugnis abzugeben.

 

 

 

V "Dein Wille geschehe"

 

Von deinem Reich ein Zeugnis abzugeben,

hast du mir, Gott, als Lebenssinn bestimmt,

und wo mein Herz sich dies zum Auftrag nimmt,

da fließt die Kraft; ich trinke gleich den Reben

 

an ihrem Stock den Saft, der sie erhält

und ihnen Wachstum gibt und daß sie blühen.

Es ist dein Schenken, Gott, nicht mein Bemühen

und ist dein Wille, daß nicht eine fällt!

 

Doch zwingst du nicht, ich kann mich von dir lösen,

um das zu suchen, was mir Ziel und Glück...

Du sagst dein Wort, doch hinderst nicht am Bösen,

 

und selbst die Abkehr kannst du zugestehen;

wo einer geht, du hältst ihn nicht zurück.

Doch wird dein Wille, wenn du willst, geschehen!

 

 

 

VI "Dein Wille geschehe"

 

Es wird dein Wille, wenn du willst, geschehen

und wär' der beste, deines Segens voll:

Das klare Wort, wie jeder handeln soll,

das rechte Maß, das Gute abzusehen.

 

Doch sind wir blind, betört von eig'nen Dingen,

so ganz vernarrt in Wissen und Verstand

und was wir können, stolz auf unsre Hand

und auf die Werke, die wir selbst vollbringen...

 

Wir hören nicht, was deine Stimme will;

wir sind erfüllt von unsrem eig'nen Wollen,

ja, ganz beherrscht! Nur selten sind wir still,

 

daß unser Schweigen deinen Willen ehrt. -

Steht uns das zu: Verweigern, was wir sollen?

Was ist ein Mensch, daß er dem Schöpfer wehrt?

 

 

 

VII "Unser tägliches Brot gib uns heute"

 

Was ist ein Mensch, daß er dem Schöpfer wehrt,

aus dessen Hand er kommt, der ihn gemacht

und der im Geist ihn wunderbar erdacht

zu seinem Ruhm; wer hat ihn denn gelehrt,

 

nun Gottes Kraft, aus der er lebt, verlassen,

um, wie er meint, dann groß und frei zu sein?

Wo kommt das her? Wer gibt dem Menschen ein,

gar Gott zu schmähen und ihn kalt zu hassen? -

 

Ich will es sehen, all dies große Tun,

daß laut mein Mund, was er mir schenkt, besinge:

Nimm meinen Dank, mein Gott! Ich will nicht ruh'n,

 

bis jedes Wort und Werk dein Lob vermehrt.

Du bist die Freude, Schenker aller Dinge!

Du gibst mir täglich, was mein Leib begehrt.

 

 

 

VIII "Unser täglich Brot gib uns heute"

 

Du gibst mir täglich, was mein Leib begehrt,

und auch mein Herz empfängt aus deinem Sorgen.

Du bist mein Gestern, Gegenwart und Morgen,

bewahrst mir Gut und Leben unversehrt.

 

Ich habe Mut - er fließt aus deiner Güte

und bin gesund - von deinem Blick bewacht;

selbst wenn ich strauchle, hast du auf mich acht,

daß deine Hand mich stärke und behüte.

 

Du bist mir alles: Luft und Licht, das Treiben,

aus dem mein Zweifel noch die Hoffnung zieht,

wenn alles dunkel ist, bei dir zu bleiben.

 

Herr, sei mein Ohr für meinen Ruf, mein Flehen

und sei mein Trost und in der Angst mein Lied! -

Mit deiner Hilfe kann ich sicher gehen!

 

 

 

 

IX "Und vergib uns unsere Schuld"

 

Mit deiner Hilfe kann ich sicher gehen;

ich hätte alles, was das Leben trägt

und um zu trotzen, wenn das Schicksal schlägt

und noch im Leid die Hand, die führt, zu sehen...

 

Doch bin ich schwach. Es fehlt mir an Vertrauen,

das noch im Dunkel deine Hand ergreift.

Ich weiß: sie hält - und bin doch nicht gereift,

nun meinen Glauben auf dein Wort zu bauen.

 

Das nenn' ich Schuld: Dein Führen zu erfahren

und wieder zaudern, schon beim nächsten Schritt,

als wärst du fern und könntest nicht bewahren!

 

Doch bleibst du treu! - all meiner Schuld entgegen,

gehst du im Zweifel und Versagen mit! -

Wie mach' ich gut die Fülle, allen Segen?

 

 

 

X "Und vergib uns unsere Schuld"

 

Wie mach' ich gut die Fülle, allen Segen?

Ich müßte tätig sein, beharrlich, treu

bei deiner Sache, müßte täglich neu

in Dank und Teilen Mund und Hände regen.

 

Mein ganzer Mensch, mein Handeln und mein Wesen

soll wie ein Spiegel sein, der wiedergibt,

wie mich zuerst des Vaters Güte liebt -

in meiner Art sei Gottes Art zu lesen!

 

Und bin doch dir und meinem Sollen fern,

ein Kind der Zeit, verwechselbar mit allen,

ein Bild der Welt, kein Spiegel meines Herrn!

 

Trag' deinen Namen zwar, doch bin nicht echt

und bin aus mir kein Mensch, dir zu gefallen:

Ich biete Sünde dir und bin nicht recht.

 

 

 

XI "Und führe uns nicht in Versuchung"

 

Ich biete Sünde dir und bin nicht recht

und möchte frei sein, alles das zu machen,

was mir gefällt; auch häng' ich an den Sachen...

So zieh' ich eng und enger das Geflecht,

 

das meine Welt verbirgt vor deinen Blicken!

Gott, hilf heraus und stelle vor mich hin,

was meinem Leben Fülle gibt und Sinn

und laß nicht zu, mich tiefer zu verstricken!

 

Ich will heraus, aus allem, was mich bindet,

damit mein Herz, im Handeln, wie es soll

und wie du willst, die wahre Freiheit findet.

 

Es wär' so viel, ja, alles dran gelegen!

Doch hält's mich fest und zieht verhängnisvoll:

Mein Tun und Denken geht auf eig'nen Wegen!

 

 

 

XII "Und führe uns nicht in Versuchung"

 

Mein Tun und Denken geht auf eig'nen Wegen;

es scheint mir oft, als hätt' ich nicht Gewalt

in meinem Geist, wo ohne Maß und Halt

die eig'nen Sinne fremde Wünsche hegen.

 

Doch bin ich selbst der Ursprung der Gedanken,

und nichts ist "fremd", was da nach außen dringt! -

Sei du mein Meister, Gott, der mich bezwingt,

und setze Ziele mir und klare Schranken!

 

Und sei gefaßt, mein Gott, auch daß ich lüge

und mich verstelle - selbst noch im Gebet.

Zu schwer und hart sind mir die eig'nen Züge!

 

So will ich dir mein tiefstes Wesen klagen:

Ich bin kein Mensch, der zu sich selber steht;

oft bin ich nicht, was meine Worte sagen!

 

 

 

XIII "Erlöse uns von dem Bösen"

 

Oft bin ich nicht, was meine Worte sagen

und halte kaum, was nur mein Blick verspricht...

Aus meinem Innen kommt ein trübes Licht,

weil viele Schatten Helles überragen.

 

Du hast die Macht! Ich will mich gerne fügen.

Zünd' groß, verzehrend deine Fackel an,

daß sie vertreibt, was doch nicht strahlen kann

und mach' ein Ende falschem Schein und Trügen.

 

Du hast die Macht, die Mittel und die Kraft,

mich aus mir selbst zu deinem Glanz zu führen.

Wo nicht dein Wille meine Heilung schafft,

 

da bin und bleib' ich meines Wesens Knecht,

muß meiner Seele dunkle Kräfte spüren:

Der eig'ne Wunsch, mein Wollen macht mich schlecht!

 

 

 

XIV "Erlöse uns von dem Bösen"

 

Der eig'ne Wunsch, mein Wollen macht mich schlecht.

Doch hab' ich selbst, was aus mir wird, in Händen!

Ich weiß den Weg: Die Umkehr kann es wenden;

und weiß das Wort: "Wo ihr den Frieden brecht,

 

da will ich Einsicht, Besserung und Reue!"

Ich bin bereit! Nur schenk' mir, Gott, den Mut,

der nach dem ersten weit're Schritte tut,

daß sich mein Wesen tief und ganz erneue.

 

Herr, mach' mich stark, wo meine Kräfte schwinden,

und geh' auch mit und wo der Weg sich zweigt,

da hab' Geduld und laß dich wieder finden.

 

Und nimm die Angst und weise meinen Tagen

dein großes Ziel - bis sich der letzte neigt...

Herr, laß nicht ab, zu lieben und zu tragen!

 

 

 

 

 

 

XV      ("Meistersonett")

 

Es ist dein Name, Gott, in dem wir leben,

auch was wir selber sind, ist Teil von dir.

Ich bin so klein - und doch vertraust du mir,

von deinem Reich ein Zeugnis abzugeben?

 

Es wird dein Wille, wenn du willst, geschehen;

was ist ein Mensch, daß er dem Schöpfer wehrt?

Du gibst mir täglich, was mein Leib begehrt,

mit deiner Hilfe kann ich sicher gehen.

 

Wie mach' ich gut die Fülle, allen Segen?

Ich biete Sünde dir und bin nicht recht:

Mein Tun und Denken geht auf eig'nen Wegen!

 

Oft bin ich nicht, was meine Worte sagen;

der eig'ne Wunsch, mein Wollen macht mich schlecht!

Herr, laß nicht ab, zu lieben und zu tragen!